Lessing: Der erste "Bücherwurm"

Gotthold Ephraim Lessing war in gleich mehrerer Beziehung der erste menschliche "Bücherwurm". Vor allem hat er sich den Ehrentitel (so es denn einer ist ...) dadurch verdient, dass er den Terminus als erster in der deutschen Literatur eingeführt hat. In seiner frühen Komödie "Der Junge Gelehrte" taucht der Begriff an prägnanter Stelle auf. Der Diener Anton bezeichnet seinen Herrn, einen schwer belesenen, aber wenig erfahrenen Polyhistor, als "Bücherwürmlein".

"Anton: Ja, auch das sind verdammte Thiere, die Bücherwürmer."

Dass Anton und das Dienstmädchen Liesette sich im folgenden auch noch gegenseitig als "Äffchen", "Kätzchen" und "Schlange" bezeichnen, macht das Bestiarium komplett. Und dass Antons Dienstherr sich ausgerechnet beim Essen einige schwere "Schinken" reichen lassen will, hebt die Metapher vom Bücherwurm direkt auf die kulinarische Ebene. A worm is born!

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Lessing als freier Schriftsteller
Gotthold Ephraim Lessing tat auch selbst einiges, um sich eine Existenz als Bücherwurm zu sichern: Als einer der ersten in der deutschen und europäischen Geistesgeschichte versuchte er, nur von seiner Schriftstellerei zu leben. Das Buch sollte also tatsächlich zu seiner Nahrung, seinem täglich Brot werden. Das klappte allerdings mehr schlecht als recht: Einerseits wegen der schlechten Einnahmesituation in einem noch nicht durch ein einheitliches Urheberrecht regulierten Verlagswesen, andererseits weil Lessing spielsüchtig war und darum ständig Geldprobleme hatte. Seine eigene Bibliothek von über 6.000 Bänden musste Lessing darum versilbern: Nichts tut ein Bücherwurm weniger gern ...

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Lessing als Bibliothekar
Gotthold Ephraim Lessing war noch in einer dritten Hinsicht selbst ein "Bücherwurm": für 600 Taler Jahresgehalt und freie Wohnung wurde er Bibliothekar der herzoglichen Bibliothek von Wolfenbüttel. Über die Wirkung seiner Bibliothekarstätigkeit gehen die Meinungen allerdings auseinander. So nannten seine beiden unmittelbaren Nachfolger im Amt Lessing einen „bloß berühmten Mann, der seiner Reputation alles so gern aufopfert“ und behaupteten, die Bibliothek sei durch ihn in einem „Zustande, der nicht kläglicher sein konnte“. Andererseits hat Lessing
nicht nur mit den von ihm in Wolfenbüttel gegründeten Beiträgen Zur Geschichte und Literatur das „erste bibliothekarische Fachorgan in Deutschland“ herausgebracht. Er ist mit seiner archivarischen Tätigkeit auch selbst in den Kreis jener Polyhistoren und Universalgelehrten gerückt, die er als Erster in seiner frühen Komödie Der junge Gelehrte so sehr kritisiert hatte. Er war endgültig zum „Bücherwürmlein“ geworden.

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Lessing als Literaturtheoretiker
Der Bücherwurm lebt ja nicht nur vom Buch, er lebt auch im Buch. Er ernährt sich sozusagen von der Umwelt, die ihn umgibt. Ökologisch ist das natürlich eine Katastrophe. Aber auch literaturtheoretisch stellt das Probleme. Auch darüber hat
Gotthold Ephraim Lessing als einer der ersten nachgedacht: Wie kann ein Schriftsteller echte Menschen in Bücher bringen? Figuren in Dichtungen sollten „Mit uns von gleichem Schrot und Korne“ sein, so die berühmte Formulierung Lessings.

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Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie
Diese Möglichkeit finde sich alsdenn, und könne zu einer großen Wahrscheinlichkeit erwachsen, wenn ihn der Dichter nicht schlimmer mache, als wir gemeiniglich zu sein pflegen, wenn er ihn vollkommen so denken und handeln lasse, als wir in seinen Umständen würden gedacht und gehandelt haben, oder wenigstens glauben, daß wir hätten denken und handeln müssen: kurz, wenn er ihn mit uns von gleichem Schrot und Korne schildere.

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